Jahresbericht 2023 ada.nrw
Jahresbericht der Antidiskriminierungsberatung in NRW zeigt Verbesserungspotentiale beim Diskriminierungsschutz
Die Freie Wohlfahrtspflege NRW legt ihren zweiten Jahresbericht über die Antidiskriminierungsberatung im Netzwerk ada.nrw im Jahr 2023 vor. Der Bericht verdeutlicht, dass Schule, Polizei und Ausländerbehörden Schwerpunkte in der Antidiskriminierungsberatung mit rassismus- und antisemitismuskritischem Fokus darstellen. Er zeigt darüber hinaus, welchen Einfluss gesellschaftliche und politische Ereignisse auf die Diskriminierungserfahrungen von Menschen haben.
Die 42 Beratungsstellen für Antidiskriminierungsarbeit (ADA-Beratungsstellen) haben im Jahr 2023 906 Beratungen aufgenommen. 713 Beratungsfälle sind in diesem Zeitraum abgeschlossen worden. Der Beratungsschwerpunkt lag im Machtverhältnis Rassismus (72,8%).
Nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 07. Oktober 2023 gab es laut unabhängiger Monitoringstellen einen sprunghaften Anstieg an Vorfällen von Antisemitismus und Antimuslimischem Rassismus. Jüdinnen*Juden zogen sich vermehrt ins Private zurück, sodass es aktuell noch nicht zu einem deutlich erhöhten Beratungsaufkommen in den ADA-Beratungsstellen kam. Zu Antimuslimischem Rassismus ist über das Jahr 2023 hinweg vermehrt beraten worden, fast die Hälfte der von Rassismus betroffenen Ratsuchenden berichteten von Antimuslimischem Rassismus.
Am häufigsten wurde im Jahr 2023 zu Diskriminierungen im Bildungsbereich beraten. Die Zunahme von Beratungen zu Diskriminierungen im öffentlichen Raum um 4,5% auf 9,4% zeigt, dass der Nährboden für öffentliche Diskriminierungen und Übergriffe aus rassistischen oder antisemitischen Motiven größer geworden ist.
„Unser Bericht zeigt: Diskriminierung ist gesellschaftliche Realität. Sie ist Alltagserfahrung und hat starke Auswirkungen auf das Leben Betroffener. Das können wir alle gemeinsam als Gesellschaft nicht hinnehmen. Antidiskriminierungsberatung ist ein wichtiger Ansatz, um Betroffene zu unterstützen. Im Vergleich zu anderen Bundesländern sind wir in NRW gut aufgestellt. Von einer flächendeckenden, das heißt wohnortnahen, zugänglichen und qualifizierten Antidiskriminierungsberatung sind wir aber noch weit entfernt. Dafür braucht es einen quantitativen und qualitativen Ausbau, vor allem aber auch eine verlässliche und auskömmliche Finanzierung der Antidiskriminierungsarbeit“, sagt Projektleiterin Mira Berlin.
NRW braucht einen stärkeren Diskriminierungsschutz
Die Antidiskriminierungsberatung im Netzwerk ada.nrw konnte im Jahr 2023 trotz vielfältiger Herausforderungen viele Betroffene von Diskriminierung stärken, sie bei der Umsetzung ihrer Ziele begleiten und Impulse für die Weiterentwicklung des gesellschaftlichen und institutionellen Umgangs mit Diskriminierungen setzen. In der Antidiskriminierungsberatung wird deutlich, dass Rechte nicht effektiv eingefordert werden, wenn außergerichtliche Ansätze nicht erfolgreich sind, da es in vielen Bereichen an konkreten Handlungsmöglichkeiten fehlt, Erfolgsaussichten schlecht einzuschätzen sind oder Ratsuchende nicht klagen möchten oder können. Um die Handlungsmöglichkeiten von Menschen mit Diskriminierungserfahrungen zu verbessern, braucht es mehr Unterstützung und einen stärkeren Rechtsschutz bei Diskriminierung.
„Die Landesregierung muss ihr Versprechen endlich einlösen und ein starkes Landesantidiskriminierungsgesetz für NRW auf den Weg bringen“, so Carolin Arévalo, juristische Begleitung der Beratungsstellen.
Zwei Notwendigkeiten, die bei der Erarbeitung eines Landesantidiskriminierungsgesetz in NRW unbedingt mitgedacht werden sollten, werden durch die Erfahrungen aus der Antidiskriminierungsarbeit im Bericht unterstrichen:
- Es sollte ein Diskriminierungsverbot und konkrete und umfassende Ansprüche im Falle von Verstößen für alle Bereiche staatlichen bzw. öffentlichen Handelns auf Landesebene in einem Landesantidiskriminierungsgesetz NRW verankert werden. In diesen Bereichen gibt es bisher keine umfassenden Rechtsschutzmöglichkeiten.
- Um Diskriminierungen auch dann ernst zu nehmen, wenn Betroffene nicht klagen möchten oder können, sollte ein Verbandsklagerecht eingeführt werden.
Auch weitere Gesetze, wie das Polizeigesetz NRW und das Schulgesetz NRW, müssen mit Blick auf einen umfassenden Diskriminierungsschutz angepasst werden. Darüber hinaus braucht es eine umfassende Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), eine bessere Versorgung mit sensibilisierten Therapeuten*innen, mehr spezialisierte Rechtsanwälte*innen und finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten für Anwalts- und Prozesskosten.
Bei Rückfragen und für die Vermittlung von Interviewpartner*innen stehen wir gerne zur Verfügung.
Den vollständigen Bericht können Sie hier herunterladen.
Pressefoto und Pressemitteilung zum Download finden Sie hier.